Frank Miller hat das Genre der Superhelden neu erfunden — aber leider nie sich selbst.
Frank Miller war mal ganz oben. Ein Superstar der Comicwelt, sogar bei Leuten bekannt, die sich sonst nicht für Comics interessierten. Er hatte das Genre der Superhelden-Geschichten neu definiert, indem er ihnen etwas Abgründiges gab.
(Dieser Text ist im Januar 2015 in Ausgabe Nr. 1 der Zeitschrift Noah erschienen.)
Sein Batman war einem unheimlich, auch wenn er auf der Seite der Guten stand. Aber bei Miller konnte man lernen, dass der Kampf gegen das Böse manchmal so obsessiv ist wie das Böse selbst. Und dass alles, nicht nur das Verbrechen im Zwielicht liegt. Es konnte nicht ausbleiben, dass Hollywood sich an Millers Noir-Geschichten abzuarbeiten begann. Er wurde zum ersten Comickünstler, dem es gelang, sein Werk auch in der Form von Filmen zu erzählen. Mit den Filmen 300 und Sin City samt ihren jeweiligen Sequels war Frank Miller ganz oben im Mainstream angekommen. Dabei hat Miller seit über 10 Jahren kaum noch etwas veröffentlicht und es ist fraglich, ob jemals wieder ein Verlag mit ihm arbeiten will.
Page from Daredevil No. 179, (C) by Marvel Comics
Frank Miller wurde 1981 als Zeichner und Autor von Daredevil bekannt. Seine streng choreographierten Seitenlayouts sorgten schnell für Aufsehen, aber es war vor allem sein Talent als Autor, das den Ladenhüter Daredevil in einen Kassenerfolg verwandelte. Frank Miller bediente sich bei Autoren wie Hammet, Spillane und Chandler und verpasste dem Superheldengenre mit Anleihen beim Film Noir eine erwachsenere Dramatik. Er ging mit Ernst zur Sache, wo andere Künstler immer absurdere Bösewichter in bunten Kostümen erfanden.
Miller verlieh dem Superheldengenre mit Anleihen beim Film Noir eine erwachsenere Dramatik.
Und er machte klar, dass die Guten nicht immer gewinnen konnten, eine Lektion, die er in seiner Kindheit gelernt hatte. Seine Eltern hatten ihn mit in Rudolph Matés 300 Spartans (1962) genommen, der ihn zutiefst beeindruckte und später zur umstrittenen Graphic Novel 300 inspirierte.
Image from “The Dark Knight Returns”, (C) by DC Comics
1986 erschien bei DC Comics Frank Millers Bestseller The Dark Knight Returns, der einen gealterten Batman in seinem letzten Kampf mit dem Joker zeigte und explizit politisch geraten war. Superman taucht darin als Marionette Ronald Reagans und wandelnde Massenvernichtungswaffe auf, Batman gerät zum reaktionären Selbstjustizler und auch sonst hatte Miller den Helden von allem Beiwerk der Klamauk-Fernsehserie aus den 60ern befreit. Miller machte aus Batman eine entmenschlichte Kampfmaschine, die ohne Mitleid Unterprivilegierte zu Brei schlug und nur das Recht des Stärkeren gelten lassen mochte. Die Presse feierte seine Darstellung des Superhelden als Psychopathen, der nur die Sprache der Gewalt sprach, als kritische Auseinandersetzung mit dem Genre, übersah aber, dass die reaktionären Ansichten des Künstlers eigentlich ohne Ironie und Doppeldeutigkeiten daherkamen. Frank Miller teilte lediglich die Meinung vieler Amerikaner, dass Krieg eine ehrenwerte Sache und Krieg schon immer eine gute Lösung war.
Image from “The Dark Knight Returns”, (C) by DC Comics
Trotz des großen Erfolges von The Dark Knight Returns hielt es Miller nicht lange bei DC. Nach einem Streit über seine künstlerischen Freiheiten verließ er den Branchenriesen und begann für den Kleinverlag Dark Horse an Serien wie 300 und Sin City zu arbeiten. Bis 2001 zeichnete er für Sin City fast 1500 Seiten und reduzierte seinen schnörkellosen Stil auf harte Schwarz-Weiß-Kontraste, die alles in den Schatten stellten, was sonst gern ausgeleuchtet wurde. Miller schuf Seiten von erschreckender Perfektion, aber man bekam das Gefühl, dass er sich inhaltlich kaum weiter entwickelte und immer wieder die gleichen Schablonen in austauschbaren Konflikten aufeinander hetzte. Seine kindischen Vorstellungen von „gut und böse“ paarten sich dabei ungünstig mit der erschreckenden Frauenfeindlichkeit von Sin City und dem unverhohlenen Hass, der seinen Historienkitsch 300 durchzog. Millers Comicroman über den Kampf der heroischen Griechen gegen eine Übermacht von verschlagenen Persern wurde bei Erscheinen von Kritikern und Comicfans als dumm, rassistisch und homophob abgeschmettert.
Image from “Sin City”. (C) by Dark Horse Comics
Die Kritik setzte Miller zu und der Künstler griff immer häufiger zur Flasche. Inzwischen hatte er nebenbei bittere Erfahrungen als Drehbuchautor von Robocop 2 & 3 machen müssen. Seine Scripts galten als konfus und mussten komplett umgeschrieben worden. 2005 startete dafür die Verfilmung von Sin City im Wettbewerb für die Goldenen Palme in Cannes und bekam einen großen Preis für die visuellen Effekte. Plötzlich war Frank Miller in aller Munde. Mit Zack Snyders Version von 300 folgte schon bald die nächste Verfilmung. Trotz eines erneuten Hagels negativer Kritiken spielte der Film eine hübsche Summe Geld ein. Ganz anders erging es The Spirit, für den Miller 2008 als Regisseur verantwortlich zeichnete. Der Film war nicht nur finanziell eine einzige Katastrophe. Dazu fiel Frank Miller immer häufiger durch Alkoholexzesse auf und schien die Arbeit als Comiczeichner eingestellt zu haben. Seine kurze Rückkehr zu DC als Autor von All-Star Batman endete 2005 mit einem Debakel. Der militaristische Unterton und die gewaltverherrlichenden Dialoge hinterließen den Eindruck, dass man es einfach nur mit einem Mann zu tun hatte, der in seiner Freizeit Obdachlosen zurief, sie mögen sich gefälligst einen Job suchen. Die Kritik war so heftig, dass der Verlag den Autoren schnell wieder aus dem Verkehr zog. Miller wurde in der Comicwelt zur Persona non grata.
Image from “Sin City”. (C) by Dark Horse Comics
Seit dem 11. September wollte er nur noch eine Serie mit dem schlichten Titel Jesus! zeichnen, berichtete in Interviews von seinem Superpatriotismus und ging mit der Idee für Holy Terror, Batman hausieren. Miller wollte Al-Qaeda Gotham City angreifen lassen und Batman auf einen blutigen Rachefeldzug schicken. DC lehnte entsetzt ab. Ende 2011 erschien eine neue Version ohne Batman als Holy Terror in einem Kleinverlag. Das Ergebnis war eine hasserfüllte Hetzschrift gegen den Islam, die mit schlurig gezeichneten Gewalttätigkeiten illustriert war. Parallel verfasste Miller den bis dato letzten Eintrag auf seiner persönlichen Website, den er an die New Yorker Occupy-Bewegung richtete, die er als “Abschaum”, ”Trottel, Diebe und Vergewaltiger” bezeichnete.
Frank Miller hat sich von einem der erfolgreichsten Comickünstler aller Zeiten in einen zeternden Anhänger rechter Verschwörungstheorien verwandelt, der sein Talent im Alkohol ertränkt hat und kaum noch einen Strich zu Papier bringt. Sein Einfluss auf die Unterhaltungswelt ist unbestritten, aber bei Miller fällt es leicht, den Künstler von seinem Werk zu trennen. Nach einem dritten Filmaufguss von Sin City dürfte nicht mehr viel von ihm zu erwarten sein.