Die Bedeutung von sozialen Netzwerken wird nicht mehr bezweifelt und die wachsende Bedeutung von unabhängigen Meinungsmachern hat schon so manchen Unternehmer oder Produzenten ins Schwitzen gebracht. In der Mittagspause ist längst nicht mehr die Rede vom Fernsehprogramm des Vorabends. Stattdessen wird vom neuen Video auf Youtube berichtet, das ein Freund bei Facebook verteilt hat oder über den “Shitstorm” gelacht, den sich eine Firma durch eine unüberlegte Werbekampagne bei Twitter eingehandelt hat.
Es wäre also naheliegend und klug, wenn eine Firma einen Teil ihrer Marktforschung in die sozialen Netzwerken verlegen würde, aber diese Einsicht hat sich in Deutschland noch nicht so richtig durchgesetzt. Davon könnten auch Jan Bartels und Philipp Rodewald von Webbosaurus ein Liedchen singen.
Die beiden Strategen der Agentur für Social Media Monitoring sehen allerdings keinen wirklichen Grund dafür. “Sicher gibt es in einigen Firmen immer noch eine ältere Generation, die mit dem Internet generell nicht viel anfangen kann”, sagt Jan Bartels. “Aber die Nachfrage zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.” Er wirkt entspannt und auch das Webbosaurus Büro mit reizvollem Blick auf die Spree und der kleinen Armee von streng limitierten Plüschsauriern im Regal strahlt eher Ruhe als die Hektik eines endlosen Flusses von Nachrichten aus.
Erst 2009 gegründet, hat sich die Agentur aus Berlin schnell gemausert und berät inzwischen eine ganze Reihe von Kunden im Bereich Social Media. “Oftmals verstehen Leute nicht sofort, was wir überhaupt machen”, erläutert Philipp Rodewald. “Wir bauen ja keine Seiten für Facebook oder ähnliches, wir beraten unsere Kunden hinsichtlich ihrer Social Media Strategie und analysieren die verschiedenen Möglichkeiten.”
Webbosaurus beobachtet gezielt die Diskussionen in Blogs und Plattformen wie Facebook, Twitter, Pinterest oder Youtube, aber auch die Kommentare in Verbraucherportalen und Foren. “Diese Art von Marktanalyse und den direkten Kontakt zum Konsumenten finde ich sehr spannend. Der Kunde bekommt dabei eine Auswertung von realen Meinungen und nicht nur eine Anzahl von Clicks”, ergänzt Rodewald. “Wenn man ehrlich ist, clicken die meisten Leute bei Facebook nur wegen eines Gewinnspieles auf ‘I like’ und wir denken, dass es da noch ganz andere Möglichkeiten gibt, die vielfach übersehen werden.”
Webbosaurus überprüft die existierenden Kanäle eines Kunden und entwickelt maßgeschneiderte Lösungen für den Einsatz von Social Media. Nicht für jede Firma ist ein Blog oder eine Präsenz bei Twitter wirklich sinnvoll und wenn man sich erst für diese Art von Einblick in die Unternehmenskultur entschieden hat, wird sich im Betrieb auch jemand regelmäßig darum kümmern müssen. Webbosaurus veranschlagt zum Beispiel durchschnittlich 20 zusätzliche Arbeitsstunden in der Woche für den sinnvollen Betrieb eines Blogs und dieser zusätzliche Arbeitsaufwand kann nur selten von einem internetaffinen Mitarbeiter nebenbei bewältigt werden. Und auch unüberlegte Bemerkungen auf Twitter oder eine mangelhafte gepflegte Seite bei Facebook kann im Zweifelsfalle eher Schaden anrichten. Diese Art von Fällen scheint sich dabei zu häufen und so wird das Kerngeschäft von Webbosaurus immer wichtiger.
Bartels und Rodewald haben die Idee für Webbosaurus schon während ihrer Studienzeit an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) entwickelt und beide haben bereits ihre Bachelor Arbeit auf die eigene Agentur zugeschnitten. Nach der Teilnahme an Gründerseminaren, Beratung durch das Gründungsnetzwerk und ausführlicher Marktanalyse konnten sich die Webbosaurier schnell etablieren und wurden bereits im Mai 2010 von berlinstartup.de zur Neugründung des Monats gekürt.
Für das tägliche Überwachen der sozialen Netzwerke hat Webbosaurus mit Webboboard.de ein eigenes Werkzeug mit einer ganzen Reihe von Filter- und Vergleichsmöglichkeiten entwickelt. Das Webboboard ermöglicht dem Kunden nicht nur im Krisenfalle eine einfache Übersicht von Reaktionen aus dem Netz und sortiert nebenbei auch noch unerwünschten Werbemüll aus.
Trotz einer Vielzahl von technischen Möglichkeiten sind Jan Bartels und Philipp Rodewald überzeugt, dass gutes Monitoring nicht zu 100% von einer Software erledigt werden kann. Tonalität, der Einsatz von Smileys, Anspielungen auf aktuelle Ereignisse, Ironie und Sarkasmus werden auch vom Webboboard noch nicht zur vollsten Zufriedenheit verarbeitet und so kümmern sich geschulte Analysten um die Prüfung der Feinheiten des Social Media Monitorings.
Social Media Monitoring hat es in Deutschland weiterhin nicht ganz einfach, aber das Umdenken hat bereits begonnen und Webbosaurus ist dafür gut aufgestellt. In jüngster Zeit haben die Webbosaurier Studien im hart umkämpften Markt von Kosmetik und Pflegemittel betrieben, die für die klassische Werbung und Marktforscher äußerst interessant sein dürften. Denn es sollte die Hersteller interessieren, wenn sich plötzlich Kommentare wie “das Zeug stinkt” oder “gut zum Haare raufen” zu häufen beginnen.
– Ein Text von 2012, den ich noch nicht verlinkt hatte: Erschienen bei B!gründet Berlin, dem Gründungszentrum der HWR Berlin.